Liebe Leserin, lieber Leser!
Nichtstun ist nicht leicht, das stelle ich immer wieder fest. Und bin ziemlich sicher, dass es Ihnen ähnlich gehen wird. Die Königinnendisziplin beim Nichtstun ist es auf meiner Landkarte der Welt übrigens, dabei auch noch so wenig wie möglich zu denken. (Sie merken, das Nichts-Denken halte ich für zu ambitioniert. Klappt vielleicht später besser, wenn mein Gehirn in Altersteilzeit geht.)
Wie Sie wissen, ist eine meiner Bibeln das ganz hervorragend und kurzweilig geschriebene Buch „Das Beste, was wir tun können, ist nichts“ von Björn Kern. In der Beschreibung heißt es: “ Nichtstun heißt ja nicht, dass ich nichts tue. Nichtstun heißt, die falschen Dinge sein zu lassen.“
Tja. Den ersten Teil schaffe ich. Nicht nichts tun kann ich. Gut sogar. Bevor ich nämlich nichts tue und mich dabei fürchterlich anstrenge, sauge ich lieber Staub, wasche Wäsche, lüfte das Frl. Frieda, treibe Sport, lese ein Fachbuch, netflixe, verschiebe Klötzchen auf meinem Smartphone… Einiges davon muss natürlich getan werden. Aber vieles davon ist nichts anderes als das sinnlose Totschlagen von Lebenszeit. Und weil die begrenzt ist, sollte mensch lieber pfleglich damit umgehen, statt sie zu erschlagen. Das, was ich mit der falschen Tätigkeit hingemeuchelt habe, ist nämlich unwiderbringlich weg. Das Jetzt, in dem ich Klötzchen verschoben habe, ist Geschichte, wenn ich (zu spät) merke, dass mich diese Tätigkeit nicht wirklich befriedigt, geschweige denn beglückt.
Aber welche falschen Dinge hindern am gelingenden Nichtstun?
- Die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen versuchen, statt eigene Ziele zu entwickeln.
- Das Jetzt überspringen, indem wir gleichzeitig an Demnächst denken. Das schaffen wir, wenn wir nicht bei dem sind, was wir gerade tun, sondern schon bei den
- To-Do-Listen, die wir für irgendwann später angelegt haben.
- Wir können uns aber auch über Vorhin ärgern. Das tun wir immer dann, wenn wir ignorieren, dass die Vergangenheit nicht mehr zu ändern ist und stattdessen so tun, als würde irgendetwas anders, wenn wir nur lange genug über unsere Blödheit von vor ein paar Tagen/Wochen/Jahren schimpfen.
- Dinge, die wir sinn- und hirnlos konsumieren, ohne sie wirklich zu genießen oder wahrzunehmen. Das kann die x-te Serie sein, die täglichen Nachrichten, Weihnachten mit Gehetze von einer Familienfeier zur nächsten, Essen, das wir in uns hineinschlingen, statt jeden Bissen zu genießen. (Sie werden sicher das eine oder andere hinzufügen können…)
- Das Gefühl, ganz dringend noch dieses oder jenes zu brauchen, um es zu den anderen zu tun, die wir auch mal dringend gebraucht haben und die jetzt in irgendeinem Regal vor sich hin stauben.
- Die Angst, etwas zu verpassen, wenn wir jetzt nicht auf der Stelle diese E-Mail lesen, unseren WhatsApp-Status verändern, bei Facebook, Instagram und Twitter nach dem Rechten schauen, die frisch aufgeploppten News lesen…
Vielleicht lasse ich ein paar dieser Dinge einfach mal bleiben. Aber was? Ich könnte es mir natürlich leicht machen und mit Facebook oder Instagram anfangen – die finde ich eh doof und wenig aussagekräftig. Aber ohne meinen und Frl. Friedas Twitter-Account… So ganz ohne… Und was ist mit meiner Lieblingsserie „Stranger Things“? Die muss ich doch zuende…
Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser – es ist gar nicht so leicht, das Falsche wegzulassen. Ich versuche es heute einmal damit, das für mich Richtige zu tun: Den Gang mit Frl. Frieda und meinen etwas längeren Lauf genießen, ohne darüber nachzudenken, was als Nächstes dran ist, mich darüber freuen, dass ich immer noch Urlaub habe, beim Essen auch wirklich nur zu essen und nicht wieder bei Twitter…
Und dann könnte ich auch meinem Mann einmal mitteilen, dass ich ihn meistens überaus sympathisch finde. Vielleicht freut er sich ja und tut für eine Weile mit mir zusammen nichts?