Wenn es mir egal ist, was ich sage, muss ich auch nicht verstanden werden!

Kennen Sie dieses Phänomen: Sie erklären sich den Wolf, versuchen, mit den unterschiedlichsten Bildern, Satzbauten und grammatikalischen Innovationen zu arbeiten, und das Gesicht des Gegenübers zeigt nur eine Regung: Nje rosummisch. Das ist lautsprachliches Polnisch und bedeutet „Nix verstanden.“

Ich bin eigentlich (das Unwort „eigentlich“ benutze ich in diesem Zusammenhang sehr bewusst) eine Expertin für Kommunikation. Ich weiß, dass der Inhalt einer Aussage nur ca. 7% für den Empfänger ausmacht und der Rest aus Körpersprache, Mimik, Stimmlage und den jeweils vorhandenen Wahrnehmungsfiltern, durch die der Empfänger das Gehörte jagt, besteht.

Nehmen wir zum Beispiel den einfachen Satz: „Liebling, holst du mir bitte ein Handtuch? Ich stehe mit einem pitschnassen Hund im Flur.“ Aus meiner Sicht ist das nicht interpretierbar. Da ich aber im Flur stehe und selber still vor mich hin tropfe, kann ich nicht sehen, ob der Adressat reagiert. Aus der Tatsache, dass mir kein Handtuch gereicht wird, schließe ich messerscharf, dass er mich nicht gehört oder Wichtigeres zu tun hat.

Was aber, wenn er mich gehört hätte? Was hätte er gehört? Körpersprache, Mimik, Gestik usw. fielen ja weg, weil ich im Flur stand und der Adressat mich demzufolge nicht sehen konnte. Bleiben also nur seine eigenen Wahrnehmungsfilter. Einer könnte sein: „Die Frau ist allein mit dem Hund losgegangen. Da will sie sich bestimmt auch allein abtrocknen.“ Er hört also möglicherweise: „Liebling, bleib bitte, wo du bist! Der Hund und ich sind pitschnass, und ich muss uns erst abtrocknen.“ Ja, das klingt vollkommen anders. Aber das ist dem (männlichen) Gehirn völlig egal, solange seine Tätigkeit nicht dazu führt, dass sein Besitzer aufstehen muss.

Wenn er mich nicht gehört hat, kann es sein, dass er gerade mit einem technischen Kleingerät beschäftigt und sehr fokussiert ist. Dann gibt es zwar keine Wahrnehmungsfilter, aber auch kein Handtuch für mich und den Hund.

Kurz gesagt: Ich kann das ganze Gelabere lassen. Frei nach Dieter Nuhr: „Einfach mal Fresse halten!“ und die dadurch freigewordene Energie auf etwas Sinnvolles verwenden. Den Gehweg fegen. Eicheln sammeln. Luftblasen schießen. Lustige Tweets lesen. 

Aber obwohl ich eigentlich eine Kommunikationsgöttin bin, versuche ich es immer wieder. Ich erzähle Witze, deren Pointe ich erklären muss, meine Ironie wird nicht verstanden, scharfsinnige Bemerkungen meinerseits verpuffen im verbalen Nirwana, und wenn ich der besseren Verständlichkeit wegen und weil ich finde, dass wir für die meisten Dinge sehr schöne Wörter in unserer eigenen Sprache haben, auch eines benutze (z.B. „Kaffee zum Wegschleppen“), höre ich nur „Hä??? Meinst Du Coffee Togo?“ (Die falsche Schreibweise ist von mir beabsichtigt und verfolgt einen Zweck, den ich aber gar nicht erst zu erklären versuche.)

Das ist zutiefst deprimierend, und ich fasse jeden Tag aufs Neue den Vorsatz, heute aber wirklich mal konsequent die Klappe zu halten. Das funktioniert auch ganz wunderbar, solange ich allein bin. Sobald aber ein Protagonist auftaucht, ist es vorbei mit den guten Vorsätzen, und ich ertappe mich bei einem schwer zu deutenden: „Hallo! Wie geht’s?“ 

Morgen versuche ich es wieder. Ich werde früh aufstehen, in den Garten gehen und die dort befindliche Eiche vollquatschen. Damit sollte mein Mitteilungsbedürfnis für einige Stunden gestillt sein. Wenn ich zu einem späteren Zeitpunkt den Drang verspüre, mich mitzuteilen, werde mir auf den Bauch trommeln und dazu alternativ entweder rülpsen oder grunzen. Vielleicht stampfe ich auch mit dem Fuß auf. Bin gespannt, ob ich dann verstanden werde.

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